Zwei Jugendliche stecken ein Bauteil mit LEDs an einen Mikrocontroller. Sie sitzen an einem Werktisch, vor ihnen steht ein Laptop.

Hackdays in Eigenregie: vom Anfangen und Loslassen

Lassen sich Hackdays nach dem Konzept von Make Your School auch eigenständig umsetzen? Matthias Keldermann ist Lehrer an der Wilhelm-August-Lay Schule in Bötzingen und hat es getestet. Nach vier Jahren Erfahrung mit Make Your School hat er zum ersten Mal in Eigenregie Hackdays realisiert – und manches anders gemacht.

Das waren eure fünften Hackdays, aber die ersten, die ihr als Schule in Eigenregie umgesetzt habt. Wie hast du sie erlebt?

Das Gefühl war für mich wie bei vorherigen Hackdays, diese besondere Atmosphäre, die man sonst nicht hat in der Schule. Immer, wenn eine außenstehende Person im Raum vorbeischaut – behaupte ich jetzt mal – muss das ein Wow-Erlebnis sein: Alle machen etwas und es sieht total chaotisch aus, aber trotzdem organisiert.

Wie haben sich deine Rolle und deine Aufgaben verändert?

Während des Hackens nicht so sehr. Wäre ich im passenden Alter, wäre ich Mentor. Ich habe auch bei den letzten Durchläufen immer mitgeholfen, weil mir das so viel Spaß macht. Vielleicht musste ich dieses Mal ein bisschen mehr helfen, weil die anderen kein gesondertes Training durchlaufen hatten, wie eure Mentor*innen. Es kamen dieses Mal also auch Mentor*innen auf mich zu, haben um Rat gefragt und ich musste sie mehr im Blick haben. Das war neu – zu schauen, dass alle Gruppen gut unterstützt werden.

Diese Organisationsrolle war neu für mich und ich war im Vorfeld echt ein bisschen aufgeregt. In den letzten Jahren hatten die Make-Your-School-Mentor*innen immer den Stress mit der Auftaktpräsentation und dem Einrichten der Räume. Jetzt musste ich im Vorfeld viel mehr übernehmen, die Auftaktpräsentation und die Ideenfindungsphase moderieren. Mir hat es Spaß gemacht. Trotzdem finde ich es schöner, wenn das Leute machen, die die Schüler*innen noch nicht kennen. Ich bin ja auch ihr Lehrer.

In deiner neuen Organisationsrolle, wie wichtig war die Vorerfahrung aus vier Jahren Hackdays mit Make Your School für dich?

Sehr wichtig. Man lernt jedes Mal dazu. Ich schreibe mir immer Dinge auf und schaue bei den nächsten Hackdays, wie man das umsetzen kann. So entwickeln sie sich jedes Jahr ein Stück weiter. Wenn man anfängt, hilft die Unterstützung von eurem Team also sehr, aber es ist auch machbar, wenn man irgendwann losgelassen wird.

In meiner Auftaktpräsentation habe ich dann zum Beispiel auch Hacks gezeigt, die wir an unserer Schule schon hatten oder von unseren Teams beim Maker Festival in Berlin. Das heißt, es waren Bilder von Schüler*innen dabei, die die Teilnehmenden kannten. Außerdem habe ich Ideenfindungsplakate mit dem Grundriss unserer Schule erstellt. Das war für die Schüler*innen vielleicht sogar noch etwas echter.

Ein Jugendlicher steht vor einem Plakat, auf dem der Grundriss einer Schule abgebildet ist. Daneben stehen Stichworte und Klebezettel mit Problemen und Lösungen.
Am Grundriss ihrer Schule sammeln die Schüler*innen in Bötzingen Probleme aus ihrem Schulalltag – und denken über Lösungen nach. (Foto: Matthias Keldermann)

Wen habt ihr als Mentor*innen eingesetzt?

Die Hackdays machen wir immer in der achten Klasse. Ich habe dann bei den Neun- und Zehntklässler*innen in meinem Informatikunterricht gefragt und elf Mädchen und Jungs als Mentor*innen gewonnen. Ich finde, dass ein*e Mentor*in nicht alles perfekt hinkriegen muss, sondern wissen, wie man sich Hilfe holt. Auch für sie ist es wertvoll, in diese Rolle reinzukommen. Sie haben richtig Fortschritte gemacht, wurden von den Hackdays-Teilnehmenden akzeptiert und um Rat gefragt. Ohne sie hätte ich das gar nicht geschafft. Die Veranstaltung braucht dringend Mentor*innen.

Und zusätzlich waren Auszubildende dabei?

Genau. Wir wollten, dass auch Externe dazu kommen. Ich habe im Vorfeld bei einer Firma in der Region angefragt. Die Auszubildenden sind dann im Rahmen ihrer normalen Arbeitszeit an zwei Tagen zu uns gekommen.

Auch eine weitere lokale Firma mit Lehrwerkstatt hat sich die Hackdays angeschaut und Interesse, nächstes Jahr mitzumachen. Sie hat auch eher einen Metallbauschwerpunkt, ist also keine IT- oder Elektrotechnikfirma, aber das ist eigentlich egal. Mir geht es darum, dass neue Gesichter dabei sind, die nicht viel älter sind als die Schüler*innen. Das ist auch deshalb wertvoll, weil unsere Schüler*innen ja mal Berufe ergreifen sollen. Mein Plan ist, im Herbst mit zehn bis fünfzehn Schüler*innen für eine kleine Mentor*innenschulung zu der Firma zu fahren.

Welche Materialien von Make Your School habt ihr weiter genutzt – z.B. das Lehrkräftehandbuch, die Materialkarten oder Tutorials?

Was ich immer benutze ist die Webseite, auch in meinem Informatikunterricht. Ein Wahlthema dort heißt Hackdays. Da ist die Anleitung immer, dass sie über den Materialkoffer auf der Webseite gehen und von dort weiter recherchieren. Ich glaube, die Materialkarten sind vor allem dann wichtig, wenn die Schüler*innen überhaupt keinen Plan haben.

Was mir sehr hilft, ist der Beispielzeitplan für Hackdays. Und im Handbuch steht ja auch, wann man mit der Presse Kontakt aufnimmt, Essen organisiert oder Plakate aufhängt. Das haben wir alles gemacht, aber das Handbuch nicht mehr gebraucht, da sind wir schon routiniert. Ich habe auch wieder einen Impulsvortrag organisiert. Das ist ein sehr wertvoller Baustein. Der gehört einfach dazu.

Es gab also auch dieses Mal eine Ideenfindungsphase und einen Impulsvortrag. Gibt es Bausteine der Hackdays, bei denen ihr etwas anders gemacht habt und warum?

Ich finde die Veranstaltung so gut durchdacht, dass ich nichts weglassen wollte. Worüber ich eher nochmal nachgedacht habe, ist das Problem, dass viele Schüler*innen bei uns schon wissen, was Hackdays sind und im Vorfeld Ideen haben, was sie machen wollen. Sie nervt es dann ein bisschen, nicht sofort anfangen zu können. Wir haben es trotzdem durchgezogen, die ersten drei Stunden für die Ideenfindung zu nutzen, weil ich die Hinführung wichtig finde.

Und am Ende habt ihr noch einen Publikumspreis vergeben?

Das wollten wir mal probieren, wie ihr beim Maker Festival. Wir sind eine Verbundschule mit Grundschule im Nachbargebäude. Die Viertklässler*innen haben uns schon immer am Freitag während der Arbeitsphase besucht. Das ist echt cool, wenn die Kleinen kommen und alles mega cool finden. Sie durften schon am Freitag ihre Stimmen abgeben – am Samstag bei der Präsentation dann die Eltern. Als Preis gab es einen Technikgutschein. Das war noch so ein Extra. So bleiben die Eltern länger da und die Schüler*innen haben sich gefreut.

Letzte Vorbereitungen für die Präsentation der Hacks vor Eltern und Mitschüler*innen. (Foto: Matthias Keldermann)
Wie funktionieren die Hacks? Das Publikum schaut ganz genau hin. (Foto: Matthias Keldermann)
Kennt ihr die Pomodoro-Lerntechnik? Diese Lampe wechselt von Arbeits- zu Partylicht, wenn Zeit für eine Lernpause ist. (Foto: Matthias Keldermann)
Kochen? Nur noch mit dieser Hilfe. Der Greifarm übernimmt das Würzen, wenn du die Hände voll hast. (Foto: Matthias Keldermann)
Eltern und Mitschüler*innen wählten den Süßigkeitenautomat zum Publikumsliebling. (Foto: Matthias Keldermann)

 


Ihr habt dieses Mal selbst Material im Wert von rund 1000 Euro angeschafft und hattet auch Ausgaben für Essen und Gutscheine. Wie konntet ihr das finanzieren?

Sehr hilfreich war, dass Make Your School die Materialien der vorherigen Hackdays ja nie eingezogen hat. Nicht alle Hacks leben ewig. Ich habe die Teile ausgebaut und auch selbst Sachen angeschafft. Bei den Remote-Hackdays hat man außerdem gesehen: Man braucht nicht alle Sensoren und Aktoren, es geht auch mit weniger. Was auch gut war: Wir haben einen Lasercutter und einen 3D-Drucker an der Schule. Damit kann man echt schöne Sachen machen.

Außerdem haben wir an unserer Schule viele Fördermöglichkeiten entdeckt, auch durch die Vector Stiftung, den Regionalförderer für Baden-Württemberg. Wir haben mittlerweile viele Kontakte und immer, wenn man potenzielle Förderer einlädt, sich Hackdays anzuschauen, sagen sie: „Klar, das muss man unterstützen.” Vielleicht braucht es Impulse, damit man überhaupt mal anfangen kann. Da ist es schön, dass ihr in die Schule kommt und alles mitbringt. Aber es geht auch ohne.

Du hast gesagt, dass man mit jedem Jahr Hackdays dazu lernt. Was würdest du mit deinem jetzigen Wissen nächstes Mal anders machen?

Die Schüler*innen hatten echt coole Ideen, die dann teilweise nicht umgesetzt wurden, dafür andere doppelt. Eine Sitzheizung für Stühle hätte ich zum Beispiel gern gesehen. Bei elf Gruppen, die möglichst schnell loslegen möchten, ist es schwierig, alle im Blick zu haben. In dieser Phase möchte ich gern nochmal bremsen, innehalten und mit den Gruppen beraten, um einige vielleicht nochmal auf einen anderen Weg zu bringen.

Und wie geht es weiter mit Hackdays an eurer Schule?

Alle Seiten, die Schulleitung und auch die Eltern, waren stolz darauf, dass wir das alleine hinbekommen haben. Hackdays sind meine Lieblingstage an der Schule und auch die Schüler*innen freuen sich darauf. Das wollen wir uns auch ohne Make Your School nicht nehmen lassen und auf jeden Fall weiter machen. Es entsteht ja auch immer wieder Neues, wie die Kooperation mit der lokalen Firma.

Außerdem möchte ich mich aufmachen in Richtung Grundschule: Da ich einmal in der Woche mit Grundschüler*innen am Calliope Mini arbeite, bin ich motiviert, dort so einen Tag auszuprobieren – sozusagen Mini-Hackdays in der vierten Klasse, vielleicht mit Schüler*innen aus der siebten als Mentor*innen. Ich glaube, die sind mega motiviert, vor allem auch noch die Mädchen in der Grundschule. Man muss das Konzept natürlich anpassen, aber die Hackdays sind ein Selbstläufer. Eine der Grundschullehrer*innen möchte nächstes Jahr unbedingt komplett dabei sein. Das freut mich natürlich, dass auch andere Kolleg*innen an Bord kommen, bisher organisiere ich alles alleine.

Mit deiner Erfahrung, welche Tipps hast du für Lehrkräfte, die auch eigeninitiativ Hackdays umsetzen möchten?

Ich würde auf jeden Fall versuchen, dass Make Your School in die Schule kommt. Ich möchte aber auch ermuntern, dass man sich traut, selbst anzufangen. Auch wenn man Beispiele hört und denkt: Wir haben das alles gar nicht. Das geht bei uns nicht. Ich glaube, dass man klein anfangen und daraus etwas entstehen lassen kann. Gerade in der jetzigen Zeit sind im MINT-Bereich viele Geldgeber da, das dürfte nicht das Problem sein. Und was sehr dankbar ist: Man kann da echt etwas mit Schüler*innen zusammen machen – und denen macht es mega Spaß.

ist Volontärin in der Kommunikation und vor allem für den Newsletter, die Social-Media-Kanäle und den Blog zuständig. Zudem unterstützt sie die Kommunikation des Maker Festivals und des Alumni-Netzwerks.